Perlen der Adria : Relikte des Kalten Kriegs auf kroatischen Inseln

Im Zuge des Kalten Kriegs und der jugoslawischen Blockfreiheit errichtete die Jugoslawische Volksarmee auf äußeren Adriainseln etliche Anlagen, die zum Schutz vor dem potenziellen vom Meer aus angreifenden Feind (NATO) dienen sollten.


Zur gleichen Zeit, als sich Nachbarinseln und die Küstenregion für den neu aufkommenden internationalen Massentourismus vorbereiteten, entstanden hier unter strenger Geheimhaltung militärische Hochsicherheitszonen.

Der Fall des Eisernen Vorhangs, die Spaltung Jugoslawiens und der darauffolgende Krieg, technologische Veränderungen in der Kriegsführung und schließlich der Beitritt Kroatiens zur NATO, machten die Anlagen nach und nach überflüssig. Die meisten von ihnen wurden in den 1990er Jahren, schon während des Jugoslawienkriegs, von der Armee verlassen und kamen niemals in ihrer ursprünglichen Funktion zum Einsatz. Heute stehen sie in der Regel leer und werden der Zerstörung und dem Verfall überlassen. Ihre periphere Lage, weit ab von urbanen Zentren, unterscheidet sie von den Kasernenarealen auf dem Festland, die mittlerweile immer häufiger zu zivilen Zwecken uminterpretiert werden.


1. Die wichtigste Verteidigungsfunktion hätte die Küstenartillerie übernehmen sollen: Um Kanonenanlagen herum wurden Kasernen, Luftabwehrstellungen und Atombunker errichtet; in günstig gelegenen Buchten wurden Kriegshäfen angelegt. Im Bild: Kanonenanlage auf der Insel Lastovo. (Foto: Antonia Dika, 2007)


2. Auf fast allen äußeren Adriainseln wurden Militärzonen eingerichtet. Die Inseln Vis und Lastovo waren bis 1988 für nicht-jugoslawische Staatsbürger vollständig gesperrt. (Foto: Daniele Ansidei, 2012)


3. Die Insel-Anlagen kamen, bis auf ganz wenige Ausnahmen später im Jugoslawienkrieg, niemals zu einem Kriegseinsatz. Sie dienten von ihrer Errichtung bis zur Auflassung durch das Militär lediglich als Übungsplatz für Wehrpflichtige. Im Bild: Schiffsbunker auf der Insel Dugi Otok. (Foto: Antonia Dika, 2007)


4. Heute überlagern sich Spuren unterschiedlicher Ideologien an den Wänden der verlassenen Anlagen. Auf dem Bild: Kasernenanlage “Maršal Tito” auf der Insel Lastovo. (Foto: Antonia Dika, 2007)


5. Obwohl sie in puncto Tourismus als Aushängeschilder des Landes gelten, sind die Inseln auch ein nationales Problemgebiet: Die starke Abwanderung der Inselbewohner, vor allem seit dem Rückgang der Agrarwirtschaft, hat zu einer demografischen Entwicklung geführt, die keine positiven Zukunftsprognosen zulässt[1]. Auf dem Bild: Beliebter Badestrand und (im Hintergrund) ehemalige Militärzone auf der Insel Korčula. (Foto: Daniele Ansidei, 2007)


6. Der Weinkeller in einem ehemaligen Militärbunker auf der Insel Vis ist eines von wenigen Umnutzungsbeispielen[2]. Faktoren wie unklare Eigentumsverhältnisse, häufig wechselnde Planungsgesetze, aber auch die geringe Zahl der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter, erschwerten oder verhinderten bisher die Neuinterpretation von verlassenen Inselanlagen. (Foto: Daniele Ansidei, 2012)


7. Aufgrund des langjährigen Militärgeheimnisses und des darauffolgenden Jugoslawienkriegs gibt es kaum öffentlich zugängliche Unterlagen zu den Anlagen. Das Projekt „Perlen der Adria“ sammelt Informationen durch Gespräche mit InselbewohnerInnen und ehemaligen Militärbediensteten, um sie in fotografischen und kartografischen Mappings festzuhalten. (Foto: Antonia Dika, 2008)

Anmerkungen :
[1] Vgl. Vera Graovac, „Otoci na rubu izumiranja – primjer zadarskih otoka“ [Inseln am Rande des Aussterbens - Beispiel der Inseln von Zadar], Geoadria9/2, Zadar, 2004, S.208; „Nacionalni program razvitka otoka“, Ministarstvo razvitka i obnove [Nationales Programm der Inselentwicklung, Ministerium für Entwicklung und Erneuerung], Zagreb, 1997, S.11
[2] Link zu einer Reportage über Vis in derselben Ausgabe

Siehe französische Übersetzung

* Antonia DIKA arbeitet als Architektin und Urbanistin in Wien
http://ntndk.tumblr.com/

Vorschaubild : Insel Lastovo (Lizenzfreies Foto, Namensnennung nicht erforderlich).

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