Die Erfahrung des Orients : Tourismus auf der gefluteten Donauinsel „Ada-Kaleh“ (1919-1968, Teil II)

Die Insel Ada-Kaleh war das westlichste „Überbleibsel“ des Osmanischen Reiches. In der Zwischenkriegszeit erlebte sie dank des Tourismus einen Aufschwung und war über die Grenzen Rumäniens hinaus bekannt.


Im kommunistischen Rumänien blieb Ada-Kaleh für ausgewählte Touristen ein beliebtes Ausflugsziel, aber unter starker Kontrolle des Staates. In den Jahren 1969-71 wurde die Insel beim Bau des Donaukraftwerkes am Eisernen Tor geflutet.

Aufschwung des Tourismus in der Zwischenkriegszeit 

Während des Ersten Weltkrieges war die Insel aufgrund ihrer Lage im Grenzgebiet von Österreich-Ungarn, Serbien und Rumänien des öfteren Angriffen ausgesetzt. So kam der Tourismus aufgrund der kriegsbedingten Isolation fast völligen zum Erliegen. Nach dem Ersten Weltkrieg besetzte Rumänien die Insel und der Anschluss an Rumänien wurde 1923 durch ein Referendum bestätigt. Zum Aufschwung des Tourismus kam es im wesentlichen erst nach dem Besuch des rumänischen Königs Carol II. am 4. Mai 1931 (Abb.1).


Abb.1 : Das Zentrum der touristischen Aktivitäten, das sich in der Hauptgasse der Insel in der Mitte der Festung befand. Rechts und links waren Restaurants, Kaffeehäuser und Stände mit Souvenirs. Ansichtskarte um 1935. Privatsammlung C.Ellensohn.

Eine Folge des Besuchs des Königs war außerdem die massgeblich durch den Geschäftsmann Ali Kadri initiierte Gründung der Musulmana S.A., die hauptsächlich Zigaretten herstellte (Abb.2). So kommt es Anfang der 1930er Jahre zu einem erneuten wirtschaftlichen Aufschwung, der durch eine Zunahme des Tourismus begleitet wurde. (Abb.3-5).


Abb.2 : Eine Mischung aus Personenkult und modernem Branding: Die von der Musulmana S.A. auf Ada-Kaleh produzierte Zigarettenmarke „Ali Kadri“ – mit dem Namen und Foto des Chefs. Zigarettendose aus Blech um 1935. Privatsammlung C.Ellensohn.

Eine der wichtigsten Quellen über die Insel ist die von Ahmed Ali, dem Imam und Lehrer der Insel, erstmals im Jahre 1934 herausgegebene „Monographie der Insel Ada-Kaleh“, die auch an interessierte Touristen verkauft wurde. Obwohl darin einige historische Daten – die fortan immer wieder zitiert werden- historisch nicht gesichert sind, ist seine Beschreibung des Tourismus in den 1930er Jahren sehr hilfreich, sodass man heute einen guten Eindruck bekommen kann, was Touristen auf der Insel erwartete:

Die Geschäfte haben Namen wie „Orientalischer Basar“ oder Namen, die denen in Istanbul ähneln: „Kapali Cearşi“, „Bezestan“ u.a. […] An Produkten werden Pfeifen, Wasserpfeifen, Haushaltsartikel, Kinderspielzeug, Armbänder, Ohrringe, Ringe, die alle mit „Ada-Kaleh“ beschriftet sind, erwerben. Es gibt zwei Restaurants, Kaffeehäuser findet man alle paar Schritte. Weiters gibt es zwei Fabriken, die das berühmte Rahat (Lokum) von Ada-Kaleh herstellen[1].

In den 1940er Jahre ging der Tourismus kriegsbedingt wieder zurück, zusätzlich gab es Überschwemmungen und 1942 sogar ein Erdbeben. Die größte Veränderung brachte aber der ab 1945 in Rumänien etablierte Kommunismus mit sich: Einige Bewohner verlassen die Insel, unter anderem wanderte auch der reichste Bewohner der Insel Ali Kadri in die Türkei aus.


Abb.3 : Touristen ließen sich meist durch Einheimische im Boot auf die Insel bringen. Erinnerungsfoto, um 1930. Privatsammlung C.Ellensohn.


Abb.4 : Touristen ließen sich offenbar gerne mit Einheimischen fotografieren. Erinnerungsfoto, um 1930. Privatsammlung C.Ellensohn.


Abb.5 : Hauptattraktion der Insel: die Moschee. Zwei Besucher lassen sich hier mit Imam Ahmed Ali fotografieren, ca. 1935. Ausschnitt einer Ansichtskarte. Mustafa Hassan Reis, Ada-Kaleh, ca. 1930. Privatsammlung C.Ellensohn.

Tourismus im kommunistischen Rumänien und Überflutung der Insel 

Internationale Konflikte hatten nun eine große Auswirkung auf das Leben auf Ada-Kaleh. Ab 1948 kam es zum Bruch zwischen dem jugoslawischen Staatschef Tito und dem sowjetischen Staatschef Stalin. Damit wurde die Grenze zwischen dem Kominform-Mitgliedstaat Rumänien und Jugoslawien dicht gemacht. Dies hatte für Ada-Kaleh die Folge, dass die Insel, die nun vollkommen im Grenzgebiet lag, isoliert wurde und der Zugang zur Insel verboten wurde. Dadurch hatten die Bewohner einige Jahre kaum eine Lebensgrundlage, da es keinen Tourimus mehr gab. Ein Teil der Bewohner wurde außerdem 1951 in den Bărăgan, eine dünnbesiedelte Tiefebene im Südosten Rumäniens zwangsumgesiedelt.

Erst im Zuge der Entstalinisierung nach Stalins Tod unter Nikita Chruschtschow im Jahre 1956 und der Auflösung des Kominform kam es wieder zu normalen Beziehungen zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion und das Verhältnis zwischen Rumänien und Jugoslawien entspannte sich wieder. Folglich konnte die Insel geöffnet werden und der Tourismus wieder langsam beginnen. Dennoch stand der Tourismus nun unter ganz anderen Vorzeichen: Eine Reise war nun sozusagen ein Geschenk des Staates an die arbeitende Bevölkerung. Der Staat produzierte nun alle Produkte, u.a. auch alle Postkarten, auf denen glückliche Menschen gezeigt werden, jedoch ausschliesslich BesucherInnen – eine heile Welt, gewissermaßen die heile sozialistische Familie (siehe Abb.6). BewohnerInnen kamen auf den Postkarten der 1950er und 1960er Jahre nur mehr äußerst marginal vor.

Die BesucherInnen sind in dieser Zeit fast ausschliesslich aus Rumänien. Diese konnten die Insel lediglich mit einer besonderen Genehmigung besuchen, da die Insel im Grenzgebiet lag. Ohne Personalausweis kam man nicht hinüber, er musste abgegeben werden. Dies zeigen auch die kurzen Zeilen der Schülerin Rodica an ihre Eltern im Jahre 1960 (siehe Abb.7). Dieser mußte beim Betreten abgegeben, die Insel am Abend wieder verlassen werden. Auch den Bewohnern war es nicht gestattet die Insel nach 20 Uhr zu verlassen.

Nach 1964 nahm der Tourismus noch einmal stärker zu, da der Entschluss Bau des Donaukraftwerks am Eisernen Tor zwischen Rumänien und Jugoslawien vertraglich festgelegt worden war und viele wußten, dass dies die letzte Gelegenheit eines Besuchs der Insel war. Durch die Zerstörung der Insel ging auch die Kultur und Sprache der Bewohner, die größtenteils in die Türkei und nach Constanţa/Rumänien auswanderten, unwiederbringlich verloren. Einige kleine Teile der Festung wurden gewissermaßen alibihalber auf die nicht bewohnte Donauinsel Şimian „übersiedelt“, wo sie seit nun über fünfundvierzig Jahren dem Verfall preisgegeben sind. Geblieben sind von Ada-Kaleh lediglich Dokumente, wie Beschreibungen und Fotos sowohl von Bewohnern als auch Touristen und nicht zuletzt die Erinnerungen noch lebender Bewohner.


Abb.6 : In demonstrativer Freude – händchenhaltende Touristen. Tourismus gewissermaßen als Geschenk des sozialistischen Staates an das arbeitende Volk. Offizielle Ansichtskarten der staatlichen Editura Meridiane, um 1965. Privatsammlung C.Ellensohn.


Abb.7 : „Endlich sind wir auch auf der wunderbaren Ada-Kaleh angekommen, aber fast hätte ich im Bus bleiben müssen, weil ich meinen Personalausweis zu Hause vergessen habe und hier die Grenze ist. Kaum habe ich es geschafft die Grenzwächter zu überzeugen, dass ich eine Schülerin und keine Spionin bin. …“ Schülerin Rodica an ihre Eltern am 30. Juli 1960. Offizielle Ansichtskarte des staatlichen Combinatul Poligrafic Casa Scînteii, 1960. Privatsammlung C.Ellensohn.

Note :
[1] Ali Ahmet, 1934, Monografia insulei Ada-Kaleh. Turnu-Severin: Datina

Vignette : Ausschnitt eines Sonderkuverts zur Schließung des Postamts auf Ada-Kaleh, 1968. Privatsammlung C.Ellensohn.

* Mag. Christian Ellensohn war Bildungsattaché an der Österreichischen Botschaft in Belgrad (2007-2012). In dieser Zeit forschte er über Ada-Kaleh und interviewte zahlreiche ehemalige Bewohner der Insel.

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